Fotos von historischen Dreharbeiten im Schweriner Kulturforum
von Manfred Scharnberg
„Fünfzig Kilo in fünfzig Jahren“, scherzt Michael Kröger, der sich gerade als schlanker Jugendlicher auf dem Bildschirm sieht. Dann kommt die Szene, auf die der große, kräftige Mann gewartet hat. Als Jüngling bekommt er nämlich in dem Spielfilm „Aus meiner Kindheit“ zwei kräftige Backpfeifen verpasst, weil ihm die Pferde durchgingen. „Der hat dabei richtig zugeschlagen – einfach so, ohne Ankündigung“, scheint er sich noch heute darüber zu echauffieren. Michael Kröger ist Ehrengast zur Eröffnung der Fotoausstellung „Ernst Thälmann in Schwerin“ und er erzählt gern und unterhaltsam über seine Kindheit. Besonders über die Zeit, als er vor 51 Jahren unter der Regie von Bernhard Stephan den jungen Ernst Thälmann darstellte.
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Der frühere SVZ-Fotograf Ernst Höhne bekam die Gelegenheit, während der Dreharbeiten in Schwerin (1974) zu fotografieren. Aus dieser Serie sind 30 Fotografien im Kulturforum Schleswig-Holstein-Haus zu sehen. Die Ausstellung entstand als Kooperation der Museen der Landeshauptstadt Schwerin, des Kulturforums Schleswig-Holstein-Haus und des Filmkunstfestes MV. Anlässlich des 50. Jahrestages der Uraufführung wurde das Filmoriginal restauriert und digitalisiert. Die digitale Fassung von „Aus meiner Kindheit“ feiert Premiere beim 34. Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern.
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Die Fotografien zeigen wieder einmal die besondere fotografische und journalistische Qualität von Ernst Höhne. Der kürzlich verstorbene Fotograf bildet nicht nur Filmszenen ab, er lenkt auch den Blick auf Nebenschauplätze. Besonders bezaubernd sind Begegnungen von Schauspielern in historischen Kostümen mit Zaungästen, die sich die Dreharbeiten anschauen. Zu sehen sind DDR-Polizisten im Gespräch mit einem Schauspieler in einer Polizeiuniform der Jahrhundertwende. In der Schusterstraße sammeln sich Neugierige hinter einer Absperrung. Ernst Höhne blickt hinter die Filmkulissen und dokumentiert das große Interesse der Schweriner an dem Film.
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Schwerin wurde für die aufwändige Filmproduktion mit ganzen Reiterscharen ziemlich umgestaltet, denn der Arbeiterführer lebte bekanntlich nicht in Schwerin, sondern in Hamburg. Schilder und Beschriftungen wurden also auf den Look der Hansestadt getrimmt. An einem heute noch existierenden Balkon am Markt hängt ein Banner mit der Aufschrift „Hamburg grüßt den Kaiser“. Dennoch ist in einer Szene, in der ein Pferdefuhrwerk mit dem Thälmann-Darsteller aus der Engen Straße kommt, das Wort „Uhle“ zu lesen. Die Kulissenbauer verpassten dem Markt sogar einen künstlichen Brunnen. Durch die spannende Mischung aus Bühnenbild und Schwerin-Ambiente provozieren die Abbildungen ein herrliches Ratespiel, bekannte Ecken wiederzuentdecken. Ein Pflichtbesuch für Schwerin-Enthusiasten.
Das große Interesse an der Ausstellungseröffnung war enorm und der Saal reichte nicht für alle Gäste. Unter den Zuschauern waren auch einige Statisten, die am Film mitgewirkt haben. Eine Rentnerin entdeckte sich auf einem der Höhne-Fotos, auf dem sie kostümiert und mit Kind auf dem Schoß im Hintergrund einer Szene saß. Insgesamt waren 800 Komparsen aus Schwerin, darunter 700 stationierte sowjetische Soldaten, an den Dreharbeiten beteiligt.
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Die technische Qualität der Schwarz-Weiß-Fotos ist erstaunlich. Ernst Höhne arbeitete zu besonderen Situationen mit Kameras im 6 × 6 Zentimeter-Filmformat. Bis zu drei dieser schweren „Pentacon Six“ hatte er manchmal dabei. Trotzdem scheinen seine Fotos mit einer gewissen Leichtigkeit entstanden zu sein. Die eingefangenen Szenen wirken wie flüchtige Schnappschüsse, sind aber wohl gestaltet. Die wunderbare Ausstellung verdanken wir dem Bildarchiv der Landeshauptstadt Schwerin, dessen Leiter Volker Janke die Zusammenstellung feinsinnig kuratierte. Er freute sich sichtlich über die enorme Resonanz zur Eröffnung: „Dass die Fotos nun aus den dunklen Archivschubladen das Licht der Öffentlichkeit erblicken, ist ein Vergnügen für mich.“
Die Ausstellung „Ernst Thälmann in Schwerin – 50 Jahre DEFA-Film AUS MEINER KINDHEIT“ ist bis zum 11. Mai dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Fotos: Ernst Höhne, Text und Fotos der Eröffnung von Manfred Scharnberg.
