Antonio Rosetti – internationales Flair in Ludwigslust

von Reinhard Wulfhorst

CD-Vorstellungen: Folge VII

Antonio Rosetti, 8 Sinfonien; Concerto Köln; apex 2005

Antonio Rosetti, Bläserkonzerte: 3 Oboenkonzerte; 2 Klarinettenkonzerte; 4 Konzerte für 2 Hörner; 4 Fagottkonzerte; Lajos Lencses (Oboe), Slowakisches Kammerorchester, Bohdan Warchal; Dieter Klöcker (Klarinette), SWR Sinfonieorchester, Holger Schröter-Seebeck; Klaus Wallendorf und Sarah Willis (Horn), Bayerische Kammerphilharmonie, Johannes Moesus; Eckart Hübner (Fagott), Deutsche Kammerakademie Neuss; 4 CDs, cpo 2005

„Rosetti, berühmt in Prag und Wien, saß in Ludwigslust, und es ging ihm schlecht im mecklenburgischen Winter.“ So schreibt Hans Joachim Schädlich in seiner Antonio Rosetti gewidmeten Erzählung Concert spirituel, und bei einem aktuellen Blick aus dem Fenster glaubt man ihm aufs Wort. Umso wärmer wird einem ums Herz, wenn man die Musik dieses nach Italien klingenden, aber 1750 in Böhmen geborenen Komponisten hört. Antonio Rosetti kam 1789 als Nachfolger des Kapellmeisters Carl August Friedrich Westenholtz an den Hof zu Ludwigslust und bereicherte damit die lange Liste von vorzüglichen Musikern aus Böhmen und Mähren in der Hofkapelle. Bei den Vertragsverhandlungen erwies er sich als Schlitzohr: Getrieben von ständigen Geldsorgen gab er sein bisheriges Einkommen um mehr als das Dreifache höher an, als es der Wahrheit entsprach, und erreichte so einen gewaltigen Lohnsprung. Herzog Friedrich Franz I. bekam dafür aber auch einen international gefeierten Hofkompositeur, der ihm allerdings auf Grund der schwächlichen Gesundheit (und der mecklenburgischen Winter) bereits 1792 im Alter von nur 42 Jahren verstarb.

Umwerfend: die Sinfonien mit dem Concerto Köln

Meine absolute Lieblingsaufnahme mit Musik von Antonio Rosetti sind eindeutig die beiden CDs mit Sinfonien, gespielt vom Concerto Köln. Bei den Hochdruck-Musikerinnen und -Musikern aus Köln geht vom ersten bis zum letzten Takt die Post ab. Sie fetzen durch die Partituren, dass keine Sekunde Langeweile aufkommt, bleiben aber auch den langsamen Sätzen nichts schuldig. In Lautstärke und Ausdruck setzt das Originalklang-Ensemble auf Extreme. Kaum hörbares Flüstern der Streicher wird ohne Vorwarnung abgelöst vom vereinten „Orgeln“ von Bässen, Fagotten und Hörnern, so dass man sich fragt, wie aus einem so klein besetzten Orchester ein derartiges Volumen kommen kann. Nur bei den Tempi bleibt es durchgehend beim schnell bis rasend schnell. Der Musik von Rosetti steht eine solche Radikalkur gut an, weil diese Musizierleidenschaft alle Betulichkeit abstreift, die man lange Zeit den vermeintlichen Kleinmeistern interpretatorisch so gerne angedeihen ließ. Nein, Rosetti wird hier als Großmeister präsentiert: voll auf der Höhe der damaligen Kompositionskunst, birst er geradezu vor originellen Ideen und nimmt einiges von dem Revolutionären vorweg, mit dem einige Jahre später die Sinfonien von Beethoven aufwarten.

Unbekanntere Musik braucht die allerbesten Interpreten

Hört man dazu im direkten Vergleich die Oboenkonzerte in der Interpretation durch das Slowakische Kammerorchester unter Bohdan Warchal, kann man einen kleinen Kulturschock erleiden. Nicht weil da etwa schlecht gespielt wird, sondern weil der vibratogesättigte Breitwandsound und der bieder-konventionelle Interpretationsansatz so viel von Rosetti verschenken. Ein besserer Beleg für die These, dass man gerade für unbekanntere Musik die allerbesten Interpreten braucht, ist kaum denkbar. Verstärkend kommt hinzu, dass die Warchal-Truppe auf herkömmlichem Instrumentarium spielt, das den Klangfarbenreichtum der historischen Instrumente, wie sie das Concerto Köln verwendet, nivelliert und schönt. Wie gewaltig haben doch Nikolaus Harnoncourt und andere Originalklangpioniere unsere Hörgewohnheiten und ‑ansprüche verändert!

Konzerte für 2 Hörner – ein echter Geheimtipp

Aber für solche Erkenntnisse habe ich dieses 4-CD-Paket selbstverständlich nicht in diesen kleinen CD-Führer mit Musik aus Mecklenburg-Vorpommern aufgenommen. Ich empfehle die Anschaffung nicht nur, weil hier viel und unterschiedlichster Rosetti für wenig Geld geboten wird. Vor allem machen die drei anderen CDs interpretatorisch einen großen Sprung und beweisen, dass man auch mit modernem Instrumentarium dieser wunderbaren Musik gerecht werden kann. Wir erleben ganz vorzügliche Solisten, allen voran den Fagottisten Eckart Hübner, und sehr gute Orchester wie die Deutsche Kammerakademie Neuss. Ein guter alter Bekannter ist der Dirigent Johannes Moesus der schon oft bei Konzerten in Ludwigslust seiner Entdeckerleidenschaft nachgegangen ist und als langjähriger Präsident der Rosetti-Gesellschaft sowie Gründer der Rosetti-Festtage im Ries ein besonders berufener Anwalt für diesen Komponisten ist. Und haben Sie schon einmal ein Konzert für zwei Hörner gehört? In dem CD-Paket sind gleich vier davon enthalten, und am Schluss hat man diese ungewöhnliche Instrumentenkonstellation richtig lieb gewonnen, möchte davon mehr hören. Was natürlich auch an den beiden herausragenden Solisten liegt, zwei hoch virtuosen und klangschön spielenden Mitgliedern der Berliner Philharmoniker.

Lesetipp: Viele Informationen über den Komponisten finden sich auf der Internetseite der Internationalen Rosetti Gesellschaft. Die eingangs zitierte, sehr lesenswerte Erzählung über Antonio Rosetti findet sich in: Hans Joachim Schädlich, Vorbei. Drei Erzählungen (darunter Concert spirituell), 1. Aufl. 2007 Rowohlt

Reinhard Wulfhorst, Dr. beschäftigt sich neben seiner Tätigkeit in der Landesregierung mit Musik aus M-V und als Inhaber des Musikverlages Edition Massonneau (www.edition-massonneau.de) mit Veröffentlichungen über Komponistinnen und Komponisten aus dem Land. Er möchte zu diesem Thema schreiben und ab und zu über ein Konzert berichten.

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