Von der Hölle ins Paradies – Ruth Tesmars farbgewaltige Bildersprache

von Susanne Scherrer

Die Göttliche Komödie, Divina Commedia, von Dante Alighieri vor fast 700 Jahren erdichtet, zählt zu den ewigen Meisterwerken der Weltliteratur. Von dieser Feststellung beeindruckt, kramt der literarisch interessierte Gegenwartsmensch in seinem Gedächtnis und versucht, sich zu erinnern. Besser ist es nachzuschlagen: Ja, da ging es um die Reise eines Dichters, also Dante selbst, oder seiner Seele, durch drei imaginäre Reiche des Jenseits. Drei? Dante gerät in die Hölle, muss durch das Fegefeuer, das Purgatorium, hinauf auf den Läuterungsberg und erreicht schließlich das Paradies.

Schon beim Lesen dieses kurzen Abschnitts entstehen Bilder im Kopf – Begriffe wie Hölle, Fegefeuer, Läuterung und Paradies provozieren eine Flut von Assoziationen. Genau so muss es Ruth Tesmar ergangen sein, als sie begann, sich mit Dantes Opus magnum zu befassen. Zwischen 2002 und 2006, noch als Professorin für Zeichenkunst an der Berliner Humboldt-Universität tätig, erarbeitete sie farbige Collagen, die für eine Neuübersetzung des Textes in einem besonders aufwendigen bibliophilen Druckwerk verwendet wurden.

Dante geht durch die Hölle

Um welche Story geht es? Der römische Dichter Vergil führt Dante durch die Hölle und bis zum Läuterungsberg. Virgil verkörpert die Vernunft und die Weisheit. Die Hölle ist in neun trichterförmig sich in die Tiefe bohrende Kreise eingeteilt. Abgestuft nach Schwere der Sünden, von der Vorhölle bis zu Luzifer auf dem Höllengrund, erleiden diejenigen furchtbare Strafen, die zu ewiger Verdammnis verurteilt wurden. Die Seelen, für die noch Hoffnung besteht, ihre Sünden zu reuen, müssen durch sieben spiralförmig angelegte Terrassen auf den Läuterungsberg hinauf. Die sieben Terrassen symbolisieren die sieben Todsünden, die es büßend zu überwinden gilt: Neid, Habgier, Hochmut, Zorn, Wollust, Völlerei und Trägheit.

Dante schafft den Weg und gelangt schließlich in den Garten Eden. Die schöne Beatrice, Dantes verstorbene Jugendliebe, erscheint ihm neu als himmlische Gestalt. Sie lotst seine Seele vom irdischen Garten Eden durch neun Sphären bis ins himmlische Paradies, bis zu Gott. Beatrice verkörpert die weise Führerin, die Dante zu tieferen Erkenntnissen über Gott und das Universum animiert.

Von der Dunkelheit zum Licht

Dante, die Seele verkörpernd, wandert also vom Bösen ins Gute, von der Dunkelheit ins Licht, vom Feuer in die Sonne, von der Verzweiflung hin zu Hoffnung und  Liebe, vom Teuflischen zum Göttlichen, von ewiger Todesqual hin zum ewigen Leben. Die Göttliche Komödie steckt voller Deutungen, sprachlicher Kniffe und Symbolik. Darüber wird auch heute diskutiert. Komödie heißt hier, dass Dantes spirituelle Reise gut ausgeht. Die Seele ist im Göttlichen angekommen. Ein Roadmovie mit Happy End, wenn man so will.

Die vielfach für ihre Buchkunst prämierte Künstlerin Ruth Tesmar hat es verstanden, die überwältigende Fülle von Motiven, Fragen, Gefühlen und Gedanken aus der Göttlichen Komödie zu bändigen und in eine eigene Bildersprache zu übersetzen. Die einhundert Arbeiten, aufgeteilt in die drei Stationen Hölle, Purgatorium und Paradies, werden erstmals vollständig gezeigt. Die Alte Synagoge in Hagenow, selbst ein symbolischer Ort, bietet dafür den perfekten Rahmen. Am Sonntag, den 9. März, öffnet die Ausstellung um 15:00 Uhr. Dann gibt es Gelegenheit zum Austausch mit Ruth Tesmar. Die Ausstellung ist bis zum 6. Juli zu sehen. www.museum-hagenow.de

Susanne Scherrer, studierte Dipl.Pol., forscht zur Familie Mendelssohn, übersetzt aus dem Ungarischen, vermittelt und unterstützt Literatur, Konzert- und Kunstevents. Lebt in Schwerin.

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